Es geht kontinuierlich bergauf. Bei den Planern stehen wieder mehr Projekte an

Markus Colle, CEO der Styr Group, im Interview mit Michael Neubauer von ImmoFokus: „Gewerbe- und Wohnbau werden anziehen. Bei der Industrie bin ich weniger zuversichtlich".
von office@era.at – 22. May 2025 (zuletzt aktualisiert am 10. Jun 2025)

Die Bauwirtschaft schwächelt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Markus Colle: Aktuell ist es wirtschaftlich nicht besonders prickelnd. Über die Baubranche hört man in den Medien auch immer wieder Negatives. Derzeit sehe ich aber Bewegung und bin zuversichtlich, dass es kontinuierlich bergauf geht. Bei den Planern stehen wieder mehr Projekte an, und auch die Stimmung bei den Herstellern ist positiv.

In welchen Bereichen erwarten Sie eine Verbesserung? Wird der Wohnbau anspringen?

Sowohl der Gewerbe- als auch der Wohnbau werden anziehen. Bei der Industrie bin ich weniger zuversichtlich. Generell decken wir in puncto Größenordnung zwei Bereiche ab: Großprojekte und das Wartungs- und Umbausegment. Im Wartungs- und Umbausegment gibt es aktuell viel zu tun, da es noch relativ wenige Neuinvestitionen gibt.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass das Thema ESG in der Vergangenheit überbewertet wurde und die Anforderungen heruntergeschraubt werden sollten. Sehen Sie hier Nachbesserungsbedarf?

Wirtschaftlichkeit ist ebenfalls ein Grundprinzip der Nachhaltigkeit. Daher müssen sich Sanierungen immer rechnen. Nur wenige führen Sanierungsprojekte aus Überzeugung und aus ökologischen Gründen durch. Punktuell sind diverse Vorgaben zu global und daher für einzelne Projekte nicht passend. Der damit verbundene bürokratische Aufwand ist riesig, was volkswirtschaftlich nur bedingt zielgerichtet ist. In der Bauwirtschaft sollten wir uns wieder mehr auf das Zweckmäßige konzentrieren.

Sind Bauherren bereit, außerhalb der Norm zu bauen?

Ja, ich habe persönlich schon öfter außerhalb der Norm gebaut. Voraussetzung dafür ist, dass man gut argumentieren und erklären kann. Wichtig ist, dass die Bedürfnisse der Kunden abgedeckt sind. Leider ist es oft nicht möglich, über diese Vorgaben zu diskutieren. Letztlich geht es dabei immer um das Thema Haftung. Beim Bau des Holzhochhauses HoHo haben wir viele Dinge außerhalb der Norm umgesetzt und Einzelfallprüfungen durchgeführt. Die Kosten im Brandschutz sind in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegen, obwohl man auch vor 20 Jahren sicher war. Die zusätzlichen Investitionen erfüllen oft keinen zusätzlichen Schutzzweck. Zusammengefasst: Bauen außerhalb der Norm ist notwendig und gut. Die Umsetzung bei einzelnen Bauherren ist jedoch schwierig.

Wie hoch schätzen Sie das Einsparungspotenzial ein, wenn man außerhalb der Norm baut? Oder ist das der falsche Ansatz?

Es geht auch darum, Komplexität herauszunehmen. Bei Ausschreibungen sehen wir oft sehr komplexe hydraulische Schaltungen mit Mess-, Steuer- und Regelanlagen. Viele Nutzer möchten jedoch lediglich Betriebszeiten und Temperaturen einstellen können. Hier können die Lebenszykluskosten reduziert werden, da sowohl die Investitionskosten als auch die Wartungskosten gesenkt werden, selbst wenn deswegen vielleicht ein bisschen mehr Energie verbraucht wird. Man sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren und nicht nur abseits der Normen denken, sondern auch den Grad der eingesetzten Technik in Bezug auf Zweckmäßigkeit kritisch hinterfragen.

Ist damit auch eine Reduzierung von Messpunkten und Daten gemeint?

Ja, auch das ist eine zielführende Maßnahme. Daten sollten nur dort erhoben werden, wo man später auch einen Nutzen daraus zieht. Es macht wenig Sinn, Daten nur zu erheben, um sie zu haben. Ich sehe hier beispielsweise oft Zählerkonzepte, bei denen zwar alle möglichen Messwerte erhoben werden, die dann aber nicht ausgewertet werden, weil der Energieverbrauch vom Nutzerverhalten getrieben wird und der Gebäudeeigentümer die Kosten nicht trägt.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb positioniert? Warum sollte man zu Ihnen kommen?

Wenn Sie eine komplexe Anlage errichten wollen und den „Design and Build“-Ansatz verfolgen, sind wir der richtige Partner. Wir entwickeln Projekte und Budgets gemeinsam mit unseren Kunden. Obwohl wir ein mittelständisches Unternehmen sind, verfügen wir über das Wissen von Großunternehmen. Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt und wir entwickeln sein Projekt basierend auf seinen Bedürfnissen und Anforderungen gemeinsam mit ihm.

Ab welcher Größenordnung steigen Sie bei Projekten ein?

Die Schwelle ist niedrig, da wir auch Wartung und Dienstleistungen anbieten. Im Anlagenbau sind Projekte ab 2 Millionen Euro interessant. Aktuell liegt unsere obere Grenze bei 15 bis 20 Millionen Euro, doch wir streben ein rasches Wachstum an. Daher wird sich diese Grenze rasch nach oben verschieben.

Sind Sie von den von Trump eingeführten Zöllen betroffen?

Die Lieferkette stellt kein Problem dar, da der Bau ein lokales Geschäft ist. Es kann jedoch ein Problem darstellen, wenn spezielle Elemente importiert werden müssen. Aus heutiger Erfahrung heraus sehe ich jedoch keine Auswirkungen.

Müssen Sie mit Preissteigerungen rechnen, die sich negativ auf die Rentabilität auswirken könnten?

Vieles, was wir verbauen, wird in Europa produziert. Wenn nicht, dann in Asien. Amerikanische Produkte sind für uns nicht besonders relevant.

Oft hört man, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, Personal zu finden. Suchen Sie neue Mitarbeiter?

Ja, wir suchen viele neue Mitarbeiter, da wir rasch wachsen. Wir suchen laufend operatives Personal, zum Beispiel Konstrukteure, Techniker und Projektleiter, sowie gewerbliches Personal für die Montage. Bei technisch versierten Bürokräften ist es aktuell schwierig.

Ist der Zukauf von Unternehmen ein Thema für Sie?

Neben dem organischen Aufbau ist der Zukauf von Unternehmen im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung eine weitere Option. Wir sind an der Akquisition wirtschaftlich solider und renommierter Unternehmen interessiert. Der Umsatz sollte dabei in einem Bereich zwischen 20 Mio. Euro und 100 Mio. Euro liegen. Aktuell verhandeln wir konkret mit mehreren Unternehmen.