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Tariflohnwachstum geht langsam zurück

OeNB-Wage-Tracker: Bis zum Jahresende nimmt das Tariflohnwachstum langsam ab - Die Lohndynamik im Jahr 2024 bleibt damit höher als im Euroraum - Erst ab 2025 kommt es zu einer beschleunigten Abnahme des Lohnwachstums.
von office@era.at – 16. Aug 2024 (zuletzt aktualisiert am 06. Sep 2024)

Aufgrund des deutlichen Anstiegs der Inflation im Euroraum auf über 10 Prozent und der Sorge vor einer potenziellen Lohn-Preis-Spirale begannen die Zentralbanken des Eurosystems vor etwa zwei Jahren damit, systematisch Daten zu einzelnen Kollektivvertragsabschlüssen zu sammeln. Diese Daten werden in sogenannten „Wage-Trackern“ zusammengefasst, die eine zeitnahe Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Lohnentwicklung ermöglichen. Die gesammelten Daten deuten darauf hin, dass das Lohnwachstum im Euroraum zugenommen hat. Obwohl dieser Anstieg mit etwa 5 Prozent über dem historischen Durchschnitt liegt, bleibt er im Vergleich zum vorangegangenen Inflationsanstieg moderat.

Reaktion des Lohnwachstums auf steigende Inflation

In Österreich stellt die Lohnentwicklung eine Besonderheit dar, da hier die Entwicklung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne und -gehälter (kurz Tariflöhne) faktisch an die Inflation gekoppelt ist. Obwohl es keine gesetzliche Pflicht zur Anpassung der Tariflöhne an die Inflation gibt, wie etwa in Belgien, ist es in Österreich üblich, dass die Tariflohnsteigerungen zumindest im Umfang der Inflation des vergangenen Jahres erfolgen. Dafür wird häufig die „rollierende Inflation“ (der Durchschnitt der VPI-Inflationsraten der letzten zwölf Monate) herangezogen. Mit aktuell 8,5 Prozent liegt das Wachstum der österreichischen Tariflöhne deutlich über dem Durchschnitt des Euroraums.

Der OeNB-Wage-Tracker als Maß für das Tariflohnwachstum

In Österreich bietet der Tariflohnindex (TLI) der Statistik Austria ein Maß für die durchschnittliche Entwicklung der Tariflöhne. Der OeNB-Wage-Tracker ist ein einfacher Indikator, der die Daten aller vorliegenden Kollektivvertragsabschlüsse aggregiert und die Entwicklung des TLI sowohl nachzeichnet als auch prognostiziert.

Da Kollektivvertragsabschlüsse über ihre Laufzeit hinweg (meist ein Jahr) zu dauerhaften Erhöhungen der Mindestlöhne und -gehälter führen, lässt sich das erwartete Tariflohnwachstum für die nahe Zukunft fortschreiben. Der Wert des Wage-Trackers kann grundsätzlich als Prognose für das Wachstum des TLI angesehen werden. Dabei ist jedoch der kollektivvertragliche Abdeckungsgrad, also der Anteil der vom Wage-Tracker erfassten Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung, zu berücksichtigen. Je höher der Abdeckungsgrad, desto verlässlicher ist die Prognose.

Langsamer Rückgang des Tariflohnwachstums im Jahr 2024, beschleunigter Rückgang ab 2025

Das Tariflohnwachstum erreichte Anfang 2024 mit etwa 9 Prozent seinen Höhepunkt und nimmt bis zum Jahresende allmählich auf etwa 8 Prozent ab. Diese Prognose ist relativ zuverlässig, da der kollektivvertragliche Abdeckungsgrad bis zum Jahresende hoch bleibt (über 80 Prozent).

Ab Anfang 2025 wird ein starker Rückgang des Tariflohnwachstums erwartet. Gleichzeitig sinkt jedoch auch der Abdeckungsgrad deutlich, da im Januar besonders viele Abschlüsse in Kraft treten, deren Lohnsteigerungen derzeit noch unbekannt sind. Einige Kollektivvertragsabschlüsse, die ins nächste Jahr hineinreichen, lassen jedoch einen starken Rückgang des Tariflohnwachstums ab 2025 erwarten. Da die Inflation gemäß OeNB-Prognose weiter sinken wird, dürfte auch die für zukünftige Abschlüsse relevante rollierende Inflation zurückgehen, was zu einem stärkeren Rückgang des Tariflohnwachstums führen könnte.

Deutliche Lohndivergenz zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Jahr 2024

Während das Tariflohnwachstum in der Privatwirtschaft im Verlauf des Jahres 2024 abnimmt, bleibt das Gehaltswachstum im öffentlichen Sektor (definiert als ÖNACE-Sektoren O-Q, einschließlich Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen) bis zum Jahresende hoch. Dies ist vor allem auf einen hohen Abschluss für öffentlich Bedienstete (+9,3 Prozent ab Januar 2024) zurückzuführen. Ähnliche Abschlüsse gab es auch in anderen Sektoren, die sich am öffentlichen Dienst orientieren, wie etwa in der Sozialwirtschaft, an Universitäten oder in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen.

Im privaten Sektor traten ebenfalls einige relevante Abschlüsse vor oder zum Jahreswechsel in Kraft, fielen jedoch teilweise geringer aus, wie zum Beispiel die für die Metallindustrie (+8,5 Prozent) und den Handel (+8,4 Prozent). Im Baugewerbe und im Hotel- und Gastgewerbe traten die Lohnsteigerungen erst im Mai in Kraft und lagen aufgrund der gesunkenen rollierenden Inflation mit +7,1 Prozent bzw. +7,25 Prozent ebenfalls niedriger. Dies führt im Jahr 2024 zu einem deutlich höheren Tariflohnwachstum im öffentlichen Sektor im Vergleich zur Privatwirtschaft. Dieser Unterschied zeigt sich noch stärker bei den tatsächlichen Verdiensten je Arbeitnehmer/in, da es im privaten Sektor aufgrund der schwachen Konjunktur zu einer negativen Lohndrift kommt, d. h., die Verdienste pro Kopf wachsen weniger stark als die Tariflöhne.