Wohnen

Zersiedelung in Österreich nimmt weiter zu

Einfamilienhaussiedlungen, Einkaufszentren und Gewerbegebiete – diese Strukturen kennzeichnen die Zersiedelung.
von office@era.at – 13. Jun 2024

Wissenschaftlich ausgedrückt beschreibt man sie als "räumliche Ausbreitung von Siedlungen in der Landschaft außerhalb kompakten Siedlungsstrukturen und in geringer Dichte".

Eine Studie der Boku Wien und des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung in Dresden, geleitet von Anna-Katharina Brenner und Gernot Stöglehner, analysierte die Entwicklung der Zersiedelung in Österreich in den letzten fast 50 Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Entwicklung die Klimabilanz des Landes negativ beeinflusst, da zersiedelte Strukturen hohen Mobilitätsbedarf verursachen und ökologisch besonders belastend sind. Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Boku erklärte, dass diese Art der Bebauung besonders umweltschädlich ist.

Die Analyse nutzte Rasterzellen von 100 mal 100 Metern, was einem Hektar entspricht, um die Überbauung seit 1975 zu untersuchen. Die Zersiedelung wurde anhand des Flächenanteils, der räumlichen Streuung und der Nutzungsdichte berechnet, wobei Daten aus dem Global Human Settlement Layer verwendet wurden.

Der Anstieg der Zersiedelung war "rapide": Die bebauten Flächen wuchsen von 9000 auf etwa 12.700 Quadratkilometer. Während 1975 noch 73 Prozent der bebauten Flächen gering zersiedelt waren, sind es 2020 nur noch 35 Prozent. Die Flächen mit hoher oder sehr hoher Zersiedelung vergrößerten sich von 1100 auf 5800 Quadratkilometer.

Brenner stellte fest, dass die Zersiedelung in allen Bundesländern außer Wien stark zugenommen hat, besonders in Burgenland, Niederösterreich und Oberösterreich. Die größten Veränderungen gab es in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark. Diese Entwicklung sei das Ergebnis einer jahrzehntelangen Politik, die den Bau von Einfamilienhäusern, großen Gewerbegebieten und Einkaufszentren förderte. Die bestehenden Instrumente der Raumplanung, die seit den 1960er-Jahren bestehen, seien nicht ausreichend, um die Zersiedelung zu begrenzen.

Katharina Rogenhofer vom Kontext-Institut für Klimafragen betonte, dass durch die "Breitbauweise" wertvolle Böden verloren gingen, die CO2 binden und Wasser aufnehmen könnten. Dies sei besonders wichtig angesichts der jüngsten Hochwasserereignisse.

Trotz einiger Anstrengungen in den letzten Jahren seien bisher keine signifikanten Fortschritte bei der Lösung der raumplanerischen Probleme erzielt worden, kritisierte Stöglehner. Es werde weiterhin gebaut und verbaut. Zwar sei das notwendige Instrumentarium vorhanden, etwa durch Siedlungsgrenzen, doch die Umsetzung entspreche oft nicht den Zielen. Zudem fehlten bodenpolitische Instrumente wie ein Bauzwang, der auf bestehende Baulandwidmungen Einfluss nehmen könnte.

Seit den 1990er-Jahren sei das Bewusstsein für die Problematik gestiegen, doch seit 2000 seien in Österreich Flächen verbaut worden, die sechsmal so groß wie Wien sind, oft nicht in kompakten Strukturen, sondern nach dem "Würfelpoker"-Prinzip. Trotz dieser Entwicklungen ist Österreich im europäischen Vergleich bei der Bodenversiegelung nicht führend. Stöglehner forderte ein verbindliches 2,5-Hektar-Ziel beim Bodenverbrauch und betonte, dass dies aus wissenschaftlicher Sicht entscheidend sei, um die Zersiedelung wirksam einzudämmen.

Er widerlegte die Behauptung, dass ein solches Ziel die Entwicklung von Gemeinden verhindern würde. Der Fokus müsse auf Innenentwicklung, Nachverdichtung und der Nutzung bestehender Strukturen liegen. Eine Verschiebung der Widmungskompetenzen auf höhere Ebenen löse das Problem nicht, vielmehr sei eine bessere Planung und ein integriertes Steuerwesen, wie in der Schweiz mit einer Mehrwertabgabe auf Umwidmungen, erforderlich.